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Eilantrag: Bericht von der mündlichen Verhandlung vor dem AGH Berlin

Im Eilverfahren von Herrn Kollegen Hoppe gegen die Praxis der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) die besonderen elektronischen Anwaltspostfächer (beA) empfangsbereit einzurichten, berichten wir über den Termin beim II. Senat des Anwaltsgerichtshof Berlin Az. II AGH 16/15. Die mündliche Verhandlung fand am 24.02.2016 statt und dauerte mehrere Stunden, von 13.00 Uhr bis ca. 16.00 Uhr.

Herr Kollege Hoppe war vertreten durch die Kollegen Dr. Werner, Pusep und Oberste-Dommes (alle WERNER RI). Für die Antragsgegnerin erschienen der Präsident Schäfer, der Vizepräsident Dr. Abend, die Geschäftsführerin von Seltmann und der Verfahrensbevollmächtigte Prof. Dr. Kirchberg. Im Publikum waren ca. zehn Zuschauer anwesend, vor allem interessierte Kollegen.

Eingangs legte der II. Senat seine vorläufige Rechtsansicht dar. Dabei konzentrierte er sich auf die drei im schriftlichen Verfahren umstrittenen Teilbereiche des Verfahrens: die Zuständigkeit des AGH Berlin, den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch.

Zur Zuständigkeit des AGH Berlin führte der II. Senat aus, dass aus seiner Sicht eine verwaltungsrechtliche Anwaltssache vorliegt und damit der Rechtsweg zur Anwaltsgerichtsbarkeit eröffnet sei. Zwar stehe jeder Rechtsanwalt grundsätzlich nur zu seiner lokalen Rechtsanwaltskammer in einem Rechtsverhältnis. Im Gegensatz dazu ist die BRAK grundsätzlich nur eine Dachorganisation der lokalen Rechtsanwaltskammern. Im Hinblick auf das beA habe der Gesetzgeber der BRAK jedoch eine Aufgabe zugeteilt, die Wirkung unmittelbar gegenüber den einzelnen Rechtsanwälten entfaltet. In diesem Eilverfahren gehe es um die Auslegung des § 31a BRAO und um die Handhabung des beA, sodass sich die sachliche Zuständigkeit aus § 112a Abs. 1 BRAO ergibt. Auch die örtliche Zuständigkeit sei gegeben.

Auch einen Anordnungsgrund für eine Entscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren sah der II. Senat des AGH Berlin als gegeben. Es sei den Antragstellern nicht zuzumuten, ihre Rechte nur im Hauptsacheverfahren zu verteidigen, weil das beA jederzeit eingeführt werden könnte. Auch die Beteuerungen der BRAK, den Start des beA rechtzeitig anzukündigen, würden die Eilbedürftigkeit nicht entfallen lassen. Die BRAK habe bisher nur erklärt, dass die angekündigte Vorlaufzeit dazu ausreichen sollte, dass sich die Rechtsanwälte die beA-Karten besorgen können, falls gewünscht. Die BRAK habe jedoch nicht erklärt, dass die Vorlaufzeit dazu ausreichen würde, um ein Hauptsacheverfahren durchzuführen. Derzeit können die Rechtsanwälte sich daher nur im einstweiligen Anordnungsverfahren gegen das beA wehren.

Zum Kern des Verfahrens (Anordnungsanspruch) legte der II. Senat dar, dass auch er im Gesetz eine Nutzungspflicht für das beA nicht erkennen kann. Dies gelte jedenfalls bis zum 31.12.2017. Ab 2018 gäbe es für Rechtsanwälte durchaus eine Verpflichtung zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr. Hierfür stünde das beA bereit, gegebenenfalls aber auch die DE-Mail. Mangels aktueller gesetzlicher Nutzungspflicht sehe der II. Senat auch keine – von der BRAK postulierte – Nutzungsobliegenheit. Die derzeitige Handhabung des beA und die Auslegung des Gesetzes durch die BRAK verstoße daher gegen das Grundrecht der Rechtsanwälte aus Art. 12 GG.

Auf Nachfrage des Senatsvorsitzenden erklärten die BRAK, dass sie von einer Nutzungsobliegenheit ausgehe. Das beA ist kraft Gesetzes (§ 31a BRAO) empfangsbereit einzurichten, und zwar ohne Mitwirkung der Rechtsanwälte. Sobald das beA in dieser Weise eingerichtet ist, gehöre es zur gewissenhaften anwaltlichen Berufsausübung, die Posteingänge im beA zu überwachen. Die Nutzungsobliegenheit ergäbe sich daher aus Gesetz, und zwar aus § 43 Satz 1 BRAO (Zitat: „Der Rechtsanwalt hat seinen Beruf gewissenhaft auszuüben.“).

Anschließend befragte der II. Senat die BRAK, ob es technisch möglich sei, das beA so einzurichten, dass Nachrichten an einen Rechtsanwalt nicht zugestellt werden können, der sich für das beA nicht entschieden hat bzw. die Erstregistrierung nicht durchgeführt hat. Dies verneinte die BRAK; allerdings ergänzte sie später, dass dies zwar denkbar sei, jedoch zu einer zeitlichen Verzögerung und zu erheblichen Zusatzkosten führen würde (es stand ein Betrag in Höhe von ca. 500.000,-- EUR im Raum).

Ferner wurde die Möglichkeit aufgeworfen, automatische E-Mails für einzelne beA einzurichten. Diese E-Mails könnten darauf hinweisen, dass das jeweilige beA nicht genutzt würde, und würden automatisch an diejenigen versandt, die eine Nachricht an ein nicht freigeschaltetes beA versandt haben. Auch dies verneinte die BRAK und verwies als Grund auf die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, die es der BRAK und dem technischen beA-Betreiber nicht erlaube, in die beA-Nachrichten hereinzusehen um den Absender der beA-Nachricht zu erkennen.

Zur DE-Mail teilte die BRAK (Vizepräsident Dr. Abend) mit, dass das beA im Vergleich zur DE-Mail technisch deutlich sicherer sei. Auch wisse Herr Kollege Dr. Abend nicht, ob es die DE-Mail ab 2018 überhaupt noch geben werde.

Der II. Senat fragte, ob generell die Bereitschaft zu einem Vergleich bestünde. Die BRAK bot im Vergleichswege an, das beA bis zum 01.09.2016 nicht freizuschalten. Dadurch sollen alle Rechtsanwälte genug Zeit erhalten, sich auf die empfangsbereite Einrichtung des beA vorzubereiten. Diesen Vorschlag lehnten die Antragsteller ab. Die Beteiligten waren sich jedoch einig, dass die in diesem Verfahren aufgeworfenen Rechtsfragen eindeutig, höchstrichterlich geklärt werden sollten. In diesem Zusammenhang wies der II. Senat darauf hin, dass er in verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen im Eilverfahren die erste und letzte Instanz sei (Grund: Entscheidung durch Beschluss gemäß § 123 Abs. 4 VwGO). Eine Entscheidung des Anwaltssenats beim Bundesgerichtshof sei daher nur im Hauptsacheverfahren zu erreichen. Deshalb schlug der Senat folgenden Vergleich vor:

  1. Die BRAK richtet das beA bis zum Ende eines noch einzuleitenden Hauptsacheverfahrens nicht ein.
  2. Das Hauptsacheverfahren ist bis zum 06.04.2016 durch Klageerhebung beim AGH Berlin einzuleiten.
  3. Alle Beteiligten können den Vergleich bis zum 31.03.2016 widerrufen.

Das Protokoll der mündlichen Verhandlung finden Sie hier.

Die Antragsteller haben ihr Ziel damit vorerst erreicht: Das beA wird nicht eingerichtet und daher auch nicht empfangsbereit eingerichtet. Der II. Senat hat darüber hinaus angedeutet, im Hauptsacheverfahren auf der Grundlage seiner geäußerten Rechtsauffassung kurzfristig zu entscheiden. Das Hauptsacheverfahren könnte dann schon immer Sommer/Herbst 2016 in die Berufung vor den BGH gehen.

Weiterführende Links:

Bericht zum Verfahren bei www.lto.de