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Auswirkungen der „Corona-Gesetze“ auf IT-Kleinstunternehmen

Der Bundestag hat am 25.03.2020 ein historisches Gesetzespaket beschlossen, welchem der Bundesrat bereits am 26.03.2020 zugestimmt hat. Nachdem der Bundespräsident die Gesetze ausgefertigt hat, wurden sie bereits am 27.03.2020 im Bundesgesetzblatt (BGBl. Jahrgang 2020 Teil I Nr. 14 Seiten 543 bis 596) verkündet.

Der Bundestag hat zeitlich befristete Erleichterungen für Kleinstunternehmen in den „Corona-Gesetzen“ vom 25.03.2020 vorgesehen. Diese „Corona-Gesetze“ (eine Übersicht mit den Links zum Bundesgesetzblatt finden Sie unten am Ende dieses Artikels) haben folgende wesentlichen Auswirkungen auf IT-Kleinstunternehmen:

1. Moratorium für IT-Kleinstunternehmen

Das "Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht", BGBl. Jahrgang 2020 Teil I Nr. 14 Seiten 569 bis 574 ändert in seinem Artikel 5 das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB). Die Erleichterungen richten sich an Verbraucher und Kleinstunternehmen.

1.1 Was ist ein (IT-)Kleinstunternehmen?

Der neu gefasste Art. 240 § 1 Abs. 2 EGBGB verweist beim Begriff "Kleinstunternehmen" auf die Empfehlung 2003/361/EG der EU-Kommission vom 06.05.2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. L 124 vom 20.5.2003, S. 36).

Kleinstunternehmen ist danach ein Unternehmen, welches

  • weniger als 10 Personen beschäftigt und
  • dessen Jahresumsatz bzw. Jahresbilanz 2 Mio. € nicht überschreitet.

Betroffen sind also zahlenmäßig fast alle IT-Dienstleister in Deutschland. Denn insgesamt ca. 73.000 IT-Dienstleister in Deutschland erwirtschaften jährlich weniger als 1,0 Mio. € (die meisten ca. 100.000 €) (Quelle: Will-Zocholl/Kämpf, Study Nr. 320, Branchenanalyse ITK-Branche, Seiten 51 und 52, Abbildung 3.2.1). Nach unserer Erfahrung dürften sie alle weniger als 10 Beschäftigte haben.

1.2 Voraussetzungen und Dauer des Leistungsverweigerungsrechts

Ein IT-Kleinstunternehmer hat nach Art. 240 § 1 Abs. 2 EGBGB zunächst bis zum 30.06.2020 das Recht, Leistungen zur Erfüllung eines Anspruchs, der im Zusammenhang mit einem Vertrag steht, der ein Dauerschuldverhältnis ist und vor dem 08.03.2020 geschlossen wurde, bis zum 30.06.2020 zu verweigern, wenn infolge von Umstanden, die auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen sind,

  • das Unternehmen die Leistung nicht erbringen kann oder
  • dem Unternehmen die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbsbetriebs nicht möglich wäre.

Das Gesetz stellt weiter klar, dass das Leistungsverweigerungsrecht für alle wesentlichen Dauerschuldverhältnisse besteht und definiert wesentliche Dauerschuldverhältnisse als solche, die zur Eindeckung mit Leistungen zur angemessenen Fortsetzung seines Erwerbsbetriebs erforderlich sind.

Das Leistungsverweigerungsrecht steht dem Kleinstunternehmer nur zu, solange er wegen der Pandemie an seiner Leistungserbringung gehindert ist. Bei der Bemessung der Frist des Moratoriums hat der Gesetzgeber zunächst die Annahme zu Grunde gelegt, dass die pandemiebedingten Beschränkungen des Wirtschaftslebens in absehbarer Zeit schrittweise aufgehoben werden können und die damit verbundenen Folgen sodann nach und nach abgemildert werden. Sollten diese Annahmen zutreffen, werden Kleinstunternehmer zum Sommer 2020 wieder in der Lage sein, ihren vertraglichen Pflichten nachzukommen. Daher hat der Gesetzgeber zunächst den 30.06.2020 als Endpunkt des Moratoriums vorgesehen. Die Bundesregierung kann allerdings durch Rechtsverordnung nach Art. 240 § 4 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB Verlängerungen bis zum 30.09.2020 vornehmen.

Dieser Regelungen haben zwei wesentlichen Auswirkungen:

1.3 Auswirkungen für Geldschulden und für sonstige Leistungspflichten

Erstens kann das IT-Kleinstunternehmen das Leistungsverweigerungsrecht in Bezug auf alle seine wesentlichen Dauerschuldverhältnisse (für Betriebsmittel) ausüben. Hierzu gehören (BT-Drs. 19/18110, S. 34):

  • Pflichtversicherungen,
  • Vertrage über die Lieferung von Strom und Gas oder
  • Verträge über Telekommunikationsdienste, und
  • Vertrage über die Wasserver- und -entsorgung (soweit zivilrechtlich geregelt).

Mit der Einführung dieses zeitlich befristeten Leistungsverweigerungsrechts kann der IT-Kleinstunternehmer die Durchsetzbarkeit des Zahlungsanspruchs gegen ihn verhindern und ist auch sicher vor Entstehung von Sekundäransprüchen, wie Schadensersatz.

Zweitens gilt das Leistungsverweigerungsrecht nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/18110, S. 34) bei Kleinstunternehmen auch in Bezug auf Forderungen, die keine Entgeltforderungen bzw. keine Geldforderungen sind (also eigene IT-Leistungen). Demnach dürfe der IT-Kleinstunternehmer, wenn die Voraussetzungen von Art. 240 § 1 Abs. 2 EGBGB vorliegen, von seinem Leistungsverweigerungsrecht auch dann Gebrauch machen, wenn es z.B. um die Erbringung von Wartungsleistungen geht.

Vom Anwendungsbereich des Leistungsverweigerungsrechts erfasst werden grundsätzlich auch Rückgewähransprüche. Solche Rückgewähransprüche sind auch Ansprüche „im Zusammenhang mit einem Vertrag“. Das Gleiche gilt für vertragliche Schadenersatzansprüche und Aufwendungsersatzansprüche sowie Vertragsstrafen, die vor Inkrafttreten der Regelung entstanden sind.

1.4 Geltendmachung und Rechtsfolgen

Das Leistungsverweigerungsrecht muss einredeweise geltend gemacht werden. Der Kleinstunternehmer, der wegen der COVID-19-Pandemie nicht leisten kann, muss sich also ausdrücklich auf das Leistungsverweigerungsrecht berufen und grundsätzlich auch darlegen, dass er gerade wegen der COVID-19-Pandemie nicht leisten kann.

Das Leistungsverweigerungsrecht hindert die Vollstreckbarkeit der vereinbarten Leistung und damit zugleich die Entstehung von Sekundäransprüchen (z.B. Schadensersatz und Aufwendungsersatz), die an die Nichterbringung von Leistungspflichten geknüpft sind (zum Beispiel Verzug, § 286 Abs. 1 BGB; Schadensersatz statt der Leistung, § 281 Abs. 1 BGB; Rücktritt, § 323 Abs. 1 BGB). Die primäre Leistungspflicht des IT-Kleinstunternehmers (also Zahlung, wenn er Abnehmer ist, und Lieferung, wenn er Lieferant ist) bleibt grundsätzlich bestehen und ist nach Ablauf des Moratoriums zu erfüllen.

Leistungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits fällig waren, können mit Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts nicht mehr durchgesetzt werden. Ist der IT-Kleinstunternehmer mit der Erfüllung der Leistungspflicht bereits in Verzug, entfallen die Voraussetzungen des Verzugs wieder mit Ausübung dieses Rechts.

1.5 Ausnahmen

Das Gesetz sieht aber auch Ausnahmen vor. Nach Art. 240 § 1 Abs. 3 und Abs. 4 EGBGB gilt das Leistungsverweigerungsrecht in folgenden Fällen nicht:

  • Die Nichtleistung würde die wirtschaftliche Grundlage des Betriebs des Gläubigers (Vertragspartners) gefährden.
  • Die Nichtleistung würde den angemessenen Lebensunterhalt oder den angemessenen Lebensunterhalt der unterhaltsberechtigten Angehörigen des Gläubigers (Vertragspartners) gefährden.
  • Die Nichtleistung steht im Zusammenhang mit einem Miet- oder Pachtvertrag.
  • Die Nichtleistung steht im Zusammenhang mit einem Darlehensvertrag.
  • Die Nichtleistung steht im Zusammenhang mit einem mit arbeitsrechtlichen Ansprüchen.

Der IT-Kleinstunternehmen ist jedoch auch in diesen Konstellationen nicht (ganz) rechtlos bei der Corona-Pandemie. In den ersten beiden Fällen hat der jedenfalls das Recht, den Vertrag außerordentlich fristlos zu Kündigen, um künftigen Ansprüchen zu entgehen. Miete, Pacht und Darlehen sind in Art. 240 in § 2 und in § 3 EGBGB gesondert geregelt; auch gibt es Zuschuss- und Förderprogramme. Und für die Arbeitsverhältnisse gibt es die nun deutlich unternehmerfreundlicher ausgestaltete Kurzarbeit.

2. Miet-Kündigungsschutz für IT-Kleinstunternehmen

Nach Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB kann ein Vermieter ein Mietverhältnis über Grundstücke oder über Räume nicht allein aus dem Grund kündigen, weil der Mieter im Zeitraum vom 01.04.2020 bis 30.06.2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht.

Derartige Mietrückstände stellen in dieser Zeit weder einen wichtigen Grund zur außerordentlichen fristlosen Kündigung (§ 543 BGB) solcher Mietverhältnisse dar noch folgt aus ihnen ein berechtigtes Interesse zur ordentlichen Kündigung auf unbestimmte Zeit abgeschlossener Wohnraummietverhältnisse (§ 573 BGB) (BT-Drs. 19/18110, S. 36).

Nach Art. 240 § 2 Abs. 1 Satz 2 EGBGB ist es Aufgabe des Mieters, den Zusammenhang zwischen der COVID-19-Pandemie und der Nichtleistung der Miete im Streitfall glaubhaft zu machen. Er muss dann Tatsachen darlegen, aus denen sich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit (BGH, Beschluss vom 21.12.2006, Az. IX ZB 60/06, Rdnr. 11) dafür ergibt, dass seine Nichtleistung auf der COVID-19-Pandemie beruht.

Die Regelung der Art. 240 § 2 Abs. 1 bis 3 EGBGB ist bis zum 30.06.2022 anwendbar. Dies bedeutet, dass wegen Zahlungsrückständen, die vom 01.04.2020 bis zum 30.06.2020 eingetreten und bis zum 30.06.2022 nicht ausgeglichen sind, nach diesem Tag wieder gekündigt werden kann. Damit haben Mieter und Pächter vom 30. Juni 2020 an über zwei Jahre Zeit, einen zur Kündigung berechtigenden Miet- oder Pachtrückstand auszugleichen (BT-Drs. 19/18110, S. 36).

3. Weitere Regelungen der "Corona-Gesetze"

Daneben hat der Gesetzgeber eine ganze Reihe weiterer unterstützender Regelungen getroffen, die wir auszugsweise vorstellen:

3.1 Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

Bis zum 30.09.2020 ist nach dem COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG bzw. "Corona-Insolvenz-Anfechtungsgesetz") die Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO (wegen Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) ausgesetzt. Das ist eine wichtige Regelung, weil ein Verstoß gegen diese Pflicht nicht nur zivilrechtliche Konsequenzen hat, sondern auch strafrechtliche und kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren geahndet werden.

Die Aussetzung betrifft natürlich nur solche Unternehmen, die aufgrund der Corona-Pandemie in wirtschaftliche Schieflage geraten sind. Um dies einfacher darzustellen, enthält das Gesetz eine Vermutung. Diese lautet: "War der Schuldner am 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig, wird vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht."

3.2 Erleichterungen der Kurzarbeit

Mit der Kurzarbeitergeldverordnung (KugV) hat der Gesetzgeber zweierlei bewirkt:

Erstens wurden die Anforderungen für die Gewährung von Kurzarbeit herabgesenkt, dies befristet bis zum 31.12.2020. Danach wird das Kurzarbeitergeld bereits dann gewährt, wenn mindestens 10 % der Beschäftigten einen Arbeitsausfall von mehr als 10 % haben. Bisher galt die Regelung des § 96 Abs. 1 S. 1 Nr. 4. SGB III, wonach der Arbeitsausfall ein Drittel (also ca. 33,3 %) der Beschäftigten betreffen musste. Dies ist also eine erhebliche Erleichterung.

Zweitens werden nun für das Kurzarbeitergeld auch die Sozialversicherungsbeiträge erstattet, auch dies befristet bis zum 31.12.2020. Bisher war auch dies anders. Die Beiträge zur Sozialversicherung (Krankenversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Pflegeversicherung) musste der Arbeitgeber selbst tragen. So hatte das Unternehmen selbst bei einer 100-%-Kurzarbeit (also alle Beschäftigten zu Hause) immer noch Personalkosten in Höhe von 20 bis 30 %. Jetzt dürfte dieser Betrag auf Null heruntergehen und effektiv Kündigungen vermeiden.

 

ANHANG: Übersicht der "Corona-Gesetze" vom 25.03.2020

Im Einzelnen geht es um folgende Gesetze: