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UWG-Abmahnung von DS-GVO-Verstößen im Einzelfall möglich

Die Abmahnwelle wegen DS-GVO-Verstößen dürfte weiterhin ausbleiben. Die große Streitfrage „wabert“ weiter. Es gibt schon einige Urteile dazu, ob Verstöße gegen die Datenschutz Grundverordnung (DS-GVO) unter Mitbewerbern abgemahnt werden können. Nun kommen zwei weitere Urteile vom OLG Naumburg vom 07.11.2019 hinzu. Der Sachverhalt ist bei beiden Urteilen nahezu identisch, deshalb werden beide Urteile einheitlich behandelt. Die Urteile enthalten einige Rechtsausführungen zum Thema Apothekenrecht, die aufgrund der Übersichtlichkeit ausgespart werden. Im Einzelnen:

Im ersten Verfahren lehnte das Landgericht Magdeburg als I. Instanz eine Klagemöglichkeit über das Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG) mit Urteil vom 18.01.2019, Az. 36 O 48/18, noch ab. Das OLG Naumburg hob das vorinstanzliche Urteil auf und bejahte eine Klagemöglichkeit. Im zweiten Verfahren bejahte das Landgericht Dessau-Roßlau als I. Instanz mit Urteil vom 28.03.2018, Az. 3 O 29/17 eine Klagemöglichkeit. Dies bestätigte das OLG Naumburg in zweiter Instanz. Das OLG Naumburg schloss sich damit der juristischen Meinung an, dass die DS-GVO-Verstöße im Einzelfall abmahnfähig sein können, jedenfalls hinsichtlich besonderer Kategorien personenbezogener Daten nach Art. 9 Abs. 1 DS-GVO.

Den Volltext des Urteils mit dem Az. 9 U 6/19 finden Sie hier.
Den Volltext des Urteils mit dem Az. 9 U 39/18 finden Sie hier.

Es bleibt rechtlich streitig, ob die DS-GVO „nur“ eine persönlichkeitsschützende Verordnung ist oder auch als Marktverhaltensnorm zu klassifizieren ist. Denn Voraussetzung für die Abmahnfähigkeit von DS-GVO-Verstößen unter Unternehmern ist, dass es sich bei den betroffenen Normen um Marktverhaltensregelungen nach § 3a UWG handelt. Streitig ist auch, ob die DS-GVO ein abgeschlossenes Sanktionssystem enthält oder für nationale Regelungen, wie das UWG, offen ist. Das OLG Naumburg bezog hierzu deutlich Stellung.

Sachverhalt

Der Kläger ist ortsansässiger Apotheker. Der Beklagte ist ebenfalls ortsansässiger Apotheker und verkauft zusätzlich Medikamente auf der Plattform „Amazon-Marketplace“.

Der Kläger mahnte den Beklagten unter anderem, weil datenschutzrechtliche Vorschriften missachtet würden. Er begründete dies damit, dass sich aus Art. 9 der DS-GVO ableiten lasse, dass eine Verarbeitung personenbezogener Gesundheitsdaten grundsätzlich verboten sei. Ausnahmen seien nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, namentlich einer Einwilligung, die im Falle des Beklagten nicht eingeholt worden sei.
Das daraufhin angerufene Landgericht Magdeburg wies die an die Abmahnung anschließende Unterlassungsklage ab. Es bestünde keine Klagebefugnis, soweit sich auf die Einhaltung der DS-GVO gestützt würde. Denn die DS-GVO enthalte ein in sich abgeschlossenes Sanktionssystem, welches nur der Personen, deren Rechte auf informationelle Selbstbestimmung verletzt worden seien, oder der Aufsichtsbehörde, oder der Klage eines Verbandes, eine Rechtsdurchsetzung erlaube. Der Kläger ging gegen die Klageabweisung in Berufung.

Entscheidung des Gerichts

Das OLG Naumburg entschied, dass der Kläger ein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 3a UWG wegen Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 1 DS-GVO zusteht. Nach Auffassung des OLG Naumburg sind die Regelungen der DS-GVO in der vorliegenden Fallkonstellation als Marktverhaltensregeln im Sinne des § 3a UWG aufzufassen. Das OLG Naumburg stellte fest, dass die DS-GVO eine Regelung des Marktverhaltens zum Gegenstand hat. Das OLG Naumburg wörtlich:

Selbstverständlich schützen Datenschutzregeln in erster Linie das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen. Gleichwohl verfolgt die DSGVO auch andere Zielsetzungen: In den ErwG 6 bis 8 der DS-RL heißt es, dass die Richtlinie auch den grenzüberschreitenden Verkehr personenbezogener Daten auf ein einheitliches Schutzniveau heben soll (ErwG 6 und 7), weil ein unterschiedliches Schutzniveau ein Hemmnis für die Ausübung von Wirtschaftstätigkeiten auf Gemeinschaftsebene darstellen und den Wettbewerb verfälschen könne (ErwG 7 Satz 2), und die Regelungen der Richtlinie auch der Beseitigung solcher Hemmnisse diene, um einen grenzüberschreitenden Fluss personenbezogener Daten kohärent in allen Mitgliedsstaaten und in Übereinstimmung mit dem Ziel des Binnenmarktes zu regeln (ErwG 8).

Das OLG Naumburg schließt sich damit der Meinung des OLG Hamburg an, wonach
die jeweilige Norm konkret darauf überprüft werden muss, ob gerade jene Norm eine Regelung des Marktverhaltens zum Gegenstand hat.

Das OLG Naumburg stellt sodann fest, dass wenn Daten zu Werbezwecken genutzt werden, dies als Marktverhaltensregel anzusehen ist und verweist auf die bisherige Rechtsprechung zum § 28 Abs. 3 BDSG a.F. Das Einsetzen von Internetplattformen als Vertriebsweg, sei eine Nutzung der Plattform als Werbeträger. Dies ziele

auf den Markt ab und berührt die wettbewerblichen Interessen der Marktteilnehmer. Denn durch die Auswertung der Absatzdaten können Kunden zielgerichtet angesprochen werden.

Vorliegend handelt es sich um Gesundheitsdaten nach Art. 9 Abs.1 DS-GVO. Zur rechtmäßigen Verarbeitung fehle es an einer wirksamen Einwilligung im Sinne des Art. 9 Abs. 2 lit. a) DS-GVO.

Einen Schadenersatzanspruch billigte das OLG Naumburg der Klägerin aufgrund der nicht abschließend geklärten Rechtslage zum marktregelnden Charakter der DS-GVO nicht zu und ließ den Anspruch am Verschulden scheitern.

Das OLG Naumburg entschied außerdem, dass die Revisions-Zulassungsvoraussetzungen nach § 543 Abs. 2 ZPO vorliegen. Die Frage habe grundlegende Bedeutung. Aus Sicht des OLG Naumburg ist klärungsbedürftig, ob die Regeln der DS-GVO im Einzelfall als Marktverhaltensregeln im Sinne des § 3a UWG anzusehen sind.

Anmerkung

Leider lässt eine höchstrichterliche Entscheidung des BGH oder des EuGH weiterhin auf sich warten. Die Meinungen zur Abmahnfähigkeit von Verstößen gegen die DS-GVO stehen sich bereits seit längerem gegenüber. Die Entscheidungen reihen sich in eine ganze Liste von Urteilen und Entscheidungen ein.

Auszugsweise die wichtigsten hier kurz dargestellt:

1. Landgericht Bochum, Beschluss vom 07.08.2018, Az. I-12 O 85/15

Das Landgericht Bochum entschied, dass ein Verstoß gegen Art. 13 DS-GVO von einem Mitbewerber nach dem UWG nicht geltend gemacht werden kann. Dies begründete das LG Bochum insbesondere mit der abschließenden Regelung der Art. 77 bis 84 DS-GVO und die darin enthaltene detaillierte Regelung zum anspruchsberechtigten Personenkreis, zu denen Mitbewerber nicht gehören.

2. Landgericht Würzburg Urteil vom 13.09.2018, Az. 11 O 1741/18

Das Landgericht Würzburg hatte entschieden, dass Verstöße gegen die DS-GVO abmahnfähig sind. Streitgegenständlich waren auch hier Hinweispflichten nach Art. 12 und 13 DS-GVO und betrafen eine Internetseite. Das Gericht entschied, dass es sich um marktschützende Vorschriften nach dem UWG handelt.

3. Oberlandesgericht Hamburg Urteil vom 25.10.2018, Az. 3 U 66/17

Das OLG Hamburg hat als Berufungsgericht entschieden, dass DS-GVO-Verstöße wettbewerbsrechtlich abgemahnt werden können. Es folgte dem Kernargument der Meinung gegen eine Abmahnfähigkeit (das abschließende Sanktionssystem in den Art. 77 bis 84 DS-GVO) ausdrücklich nicht. Das Gericht hielt fest, dass die DS-GVO gegenüber anderweitiger, in der DS-GVO selbst nicht geregelter Rechtsbehelfe und Sanktionen, offen gestaltet ist (OLG Hamburg, a.a.O., Rdnr. 38). Ob ein DS-GVO Verstoß tatsächlich abgemahnt werden könne, sei eine Frage des Einzelfalls. Dabei sei im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die verletzte DS-GVO-Norm eine Marktverhaltensregel sei.

4. Landgericht Wiesbaden Urteil vom 05.11.2018, Az. 5 O 214/18

Das Landgericht Wiesbaden verneinte eine Abmahnfähigkeit bei unvollständiger Auskunft nach Art. 15 DS-GVO.

6. Oberlandesgericht München Urteil vom 07.02.2019, Az. 6 U 2404/18

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts München hatte einen Telefonanruf ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung zum Gegenstand. Telefonanrufe seien, wie bereits vor Inkrafttreten der DS-GVO üblich, allein über § 7 UWG zu bewerten. Eine vorrangige Geltung der DS-GVO, welche das UWG verdrängt, bestehe nicht. Beide Normtexte stünden selbstständig nebeneinander. Wettbewerber können sich danach weiterhin über das UWG abmahnen. Das hiesige Verfahren betraf allein das UWG. Datenschutzrechtliche Erwägungen waren nicht streitgegenständlich.

7. Landgericht Stuttgart Urteil vom 20.05.2019, Az. 35 O 68/18 und Oberlandesgericht Stuttgart Urteil vom 27.02.2020

Das Landgericht Stuttgart entschied über die Hinweispflichten bei einem Kontaktformular im Internet, die über das UWG abgemahnt wurden. Das Gericht verwies darauf, dass die Frage der Sanktionsmöglichkeit von datenschutzrechtlichen Verstößen über das UWG strittig sei und entschied, dass die DS-GVO eine detaillierte Regelung der Sanktionen bei Verstößen gegen die Erhebung personenbezogener Daten ohne Vorhalt einer Datenschutzerklärung nach Art. 13 DG-SVO enthält. Die DS-GVO sanktioniere die Verstöße abschließend, daher seien ergänzenden lauterkeitsrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten nicht zulässig und ein Anspruch nach dem UWG daher gesperrt.

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat diese Entscheidung aufgehoben und ausgeführt, dass die Rechtsdurchsetzung in der DS-GVO nicht abschließend geregelt ist und, dass die Regelungen des Art. 13 DS-GVO einen marktschützenden Charakter haben. Das Urteil finden Sie hier.

Aussichten auf weitere Urteile

Wie es weitergeht, hängt nun davon ab, wann es höchstrichterliche Rechtsprechung geben wird. Letztlich muss der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Sache entscheiden, weil es um eine EU-Verordnung geht. Auch die Gesetzesinitiative aus Bayern mit dem „Gesetz zur Anpassung zivilrechtlicher Vorschriften an die Datenschutz-Grundverordnung“ (BR-Drs. 304/18 vom 26.06.2018) dürfte zu verfolgen sein. Bayern hält die Anpassung im deutschen Zivilrecht für notwendig, um etwaigen missbräuchlichen und rechtswidrigen Abmahnungen im Bereich des Datenschutzrechts vorzubeugen. Die Gesetzesinitiative liegt derzeit den Ausschüssen vor. Der Rechtsausschuss und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten des Bundesrates haben sich bereits für eine Einbringung in den Bundestag ausgesprochen (BR-Drs. 304/1/18 vom 13.09.2018).

Die Entscheidung des BGH dürfte aber in Kürze kommen. Jedenfalls schaffte das OLG Naumburg dafür die Voraussetzungen, indem es die Revision ausdrücklich zugelassen hat.

Was tun, wenn Sie eine Abmahnung erhalten haben oder eine Abmahnung aussprechen wollen? Derzeit kann die Frage pauschal nicht beantwortet werden. Es muss der konkrete Verstoß im konkreten Fall begutachtet werden. Die aufgezeigten Urteile zeigen: Es besteht viel Spielraum für Argumentation und wenig Rechtssicherheit.

Ergänzt am 03.03.2020: Urteil des OLG Stuttgart eingefügt.