Aufhebungsantrag vor dem II. Senat
Am 27.09.2016 beantragte die BRAK im Eilverfahren unseres Kollegen Hoppe vor dem AGH Berlin (Az. II AGH 16/15) den Beschluss vom 06.06.2016 nach § 112c Abs. 1 S. 1 BRAO i.V.m. § 80 Abs. 7 BGB analog aufzuheben. In ihrer Presseerklärung Nr. 10 vom 27.09.2016 gab die BRAK gleichzeitig bekannt, dass sie das beA nur freischalten wird, wenn der II. Senat seine Beschlüsse im Eilverfahren unseres Kollegen Hoppe und im Parallelverfahren zweier Kollegen aus Berlin (Az. II AGH 15/15) aufhebt. Dazu kam es allerdings am anvisierten Starttermin des beA am 29.09.2016 nicht, wie die BRAK in ihrer Presseerklärung Nr. 12 vom 29.09.2016 mitteilte. Der II. Senat setzte uns eine Frist zu Stellungnahme bis zum 10.10.2016 und wird erst danach entscheiden.
Mündliche Verhandlung vor dem I. Senat
Am 28.09.2016 verhandelte der I. Senat über den Eilantrag unseres Kollegen Dr. Werner, den unser Kollege Oberste-Dommes anwaltlich vertrat. Für die BRAK waren deren Präsident Schäfer, der Vizepräsident Dr. Abend, die Geschäftsführerin von Seltmann und der Verfahrensbevollmächtigte Prof. Dr. Kirchberg erschienen. Im Publikum war Herr Rechtsanwalt Schinagl anwesend, der u.a. über die technischen beA-Schwächen berichtet.
Zunächst verzichteten die Prozessparteien darauf, den Sachverhalt zu erörtern. Zum Sachverhalt führte Präsident Schäfer aus, dass Dritte – z. B. Bürger – über den EGVP-Client Nachrichten an das beA eines Rechtsanwalts senden können. Er gab zu Protokoll, dass die BRAK die Postfächer für alle anderen Rechtsanwälte so lange nicht freischalten würde, wie die Beschlüsse des II. Senats bestehen. Schließlich teilte Vizepräsident Dr. Abend mit, dass alle beA-Postfächer innerhalb von drei Stunden freigeschaltet werden könnten.
Anschließend teilte der Berichterstatter mit, dass der I. Senat in seinen Vorabberatungen nachfolgende Überlegungen angestellt hat. Der II. Senat habe im Juni 2016 eine Entscheidung getroffen, die im wesentlichen auf drei Punkten beruhe:
- Zum einen war seinerzeit unklar, ob es eine berufsrechtliche Pflicht der Rechtsanwälte gäbe, am beA teilzunehmen.
- Zum anderen war seinerzeit unklar, ob den Rechtsanwälten durch die Freischaltung des beA eine Haftung drohe.
- Schließlich war seinerzeit unklar, ob den Rechtsanwälten durch die Freischaltung des beA ein Reputationsschaden drohe.
Der I. Senat teilte mit, dass er die vom II. Senat angeführten Argumente im Hinblick auf die mittlerweile veränderten Umstände, insbesondere aufgrund der am 28.09.2016 verkündeten Rechtsanwaltsverzeichnis- und -postfachverordnung (nachfolgend RAVPV genannt), prüfen müsse. Ferner wäre zu prüfen, ob die RAVPV eine taugliche Ermächtigungsgrundlage darstelle.
Schließlich äußerte der I. Senat Bedenken daran, ob er die Verfassungsmäßigkeit der RAVPV prüfen müsse. Der Vorsitzende führte hierzu aus, dass ein Eilverfahren möglicherweise nicht der richtige Platz dafür sei. Gleichwohl ging er auf die Einzelheiten von § 21 und § 31 RAVPV ein. Der Senat habe Zweifel daran, ob § 31c BRAO eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für § 21 RAVP darstelle. Dies könne nach Auffassung des Senats jedoch dahinstehen, weil jedenfalls § 31 RAVPV klarstelle, dass bis zum 31.12.2017 eine berufsrechtliche Pflicht der Rechtsanwälte zur beA-Nutzung nicht bestünde. Daher würden den Rechtsanwälten keine Nachteile drohen. § 31c BRAO sei eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (nachfolgend BMJV genannt), derartige Regelungen in einer Rechtsverordnung zu treffen. Das BMJV sei nämlich ermächtigt, Einzelheiten der Nutzung zu regeln. Hierunter würden auch berufsrechtliche Pflichten zur beA-Nutzung fallen.
Im Hinblick auf eine etwaige Haftung der Anwälte oder auf einen Reputationsschaden sieht der I. Senat lediglich marginale Gefahren. Diese marginalen Gefahren rechtfertigen es nach seiner Ansicht nicht, dem Antrag unseres Kollegen Dr. Werner stattzugeben. Es sei auch zweitrangig, dass nicht nur Gerichte und Rechtsanwälte Nachrichten an das beA eines Rechtsanwalts senden können, sondern auch Dritte. Dies würde etwaige Haftungsrisiken nur minimal erhöhen.
Im Wesentlichen aber würde nach Ansicht des I. Senats ein Anordnungsgrund derzeit nicht bestehen. Die Beschlüsse des II. Senats bestehen weiterhin. Darüber hinaus habe die BRAK angekündigt, das beA so lange für alle Rechtsanwälte nicht freizuschalten, wie die Beschlüsse des II. Senats bestehen. Erst wenn der II. Senat im anstehenden Aufhebungsverfahren seine Beschlüsse aufhebt, wäre möglicherweise ein Anordnungsgrund gegeben. Wenn der II. Senat seine Beschlüsse nicht aufhebt, bestünde weiterhin kein Anordnungsgrund. Die Rechtsanwälte seien dann nämlich durch die Verlautbarung der BRAK hinreichend geschützt.
Hiergegen argumentierten wir, dass nach unserer Auffassung ein Verstoß gegen das Gebot des effektiven Rechtsschutz vorliegen würde. Es könne nicht sein, dass allen anderen Rechtsanwälten effektiver Rechtsschutz gegen das beA aufgrund von zwei Beschlüssen des II. Senats und der Verlautbarung der BRAK verwehrt würde.
Die Senatsvorsitzende betonte allerdings, dass man im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens durchaus zu einer anderen Rechtsauffassung gelangen könne. Im Rahmen des Eilverfahrens müsse jedoch ein Anordnungsgrund vorliegen. Einen solchen gäbe es nach Ansicht des I. Senats nicht.
Nach einer Beratungspause verkündete der Senat folgende Entscheidung:
- Der Antrag wird zurückgewiesen.
- Die Kosten trägt der Antragsteller.
- Der Streitwert wird auf 5.000,‑‑ € festgesetzt.
Der I. Senat begründet die Entscheidung kurz damit, dass ein Anordnungsgrund nicht vorliege. Darüberhinaus sei § 31 RAVPV wirksam und insbesondere von § 31c BRAO gedeckt.