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Eilantrag: AGH Berlin verbietet beA-Freischaltung ohne Zustimmung des Rechtsanwalts

Der angekündigte Beschluss des II. Senats des Anwaltsgerichtshofs Berlin (AGH Berlin) vom 06.06.2016 (Az. II AGH 16/15) in Sachen empfangsbereites besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) liegt uns nunmehr vor.

Der Beschluss ist hier abrufbar.

Der AGH Berlin untersagte es der BRAK, das beA für Herrn Kollegen Adrian Hoppe ohne seine ausdrückliche Zustimmung für den Empfang freizuschalten. Gleichzeitig drohte der AGH Berlin der BRAK für Zuwiderhandlungen die üblichen Ordnungsmittel an (Ordnungsgeld bis zu 250.000,-- € und Ordnungshaft). Der Streitwert beträgt 5.000,-- €.

Der AGH Berlin begründet seine Entscheidung wie folgt:

Die Zulässigkeit ergibt sich aus § 112a Abs. 1 BRAO (sachlich) und aus § 112b S. 1 Hs. 2 BRAO (örtlich). Hierauf hatte der AGH Berlin bereits in der mündlichen Verhandlung sehr deutlich hingewiesen (siehe unserer Terminsbericht unter hier).

Der Anordnungsanspruch – als öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch – ergibt sich aus einem Eingriff in die anwaltliche Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG. Der Eingriff ist durch eine gesetzliche Grundlage nicht gerechtfertigt. § 31a Abs. 1 S. 1 BRAO verpflichtet die BRAK, für jeden Rechtsanwalt ein beA einzurichten, aber nicht für den Empfang freizuschalten. Der AGH Berlin stellt in seinem Beschluss zunächst das Schadenspotential eines gegen den Willen des Rechtsanwaltes für ihn eingerichteten, empfangsbereiten beA ausführlich dar. Anschließend stellt der II. Senat dar, dass eine gesetzliche Grundlage für eine empfangsbereite Einrichtung fehlt. Nur § 31a BRAO kommt als gesetzliche Grundlage in Betracht. Eine empfangsbereite beA-Einrichtung lässt sich dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck dieser Norm nicht entnehmen. Aus systematischen Erwägungen lässt sich dies ebenfalls nicht ableiten: Der Gesetzgeber wählte bisher den Terminus „Zugangseröffnung“, wenn er eine empfangsbereite Einrichtung eines elektronischen Zugangs ermöglichen oder sicherstellen wollte, so z.B. in § 3a Abs. 1 VwVfG, § 5 Abs. 5 S. 1 VwZG, § 36a SGB I oder § 87a Abs. 1 S. 1 AO. Ein bloßes „Einrichten“ in § 31a BRAO ist hingegen nicht ausreichend, um einen Zwangszugang zu rechtfertigen.

Dem an dieser Stelle vereinzelt bemühten „Briefkastenvergleich“ (siehe u.a. diesen LTO-Artikel mit Verweis auf LG Bonn, Urteil vom 10.01.2014, Az. 15 O 189/13) erteilt der AGH Berlin eine Absage. Der II. Senat führt hierzu aus, dass es für die Zugangseröffnung eines subjektiven Elementes bedarf, einer Art „Widmung“. Der Montage eines Briefkastens „durch wen auch immer“ muss zusätzlich eine vom Empfänger durchgeführte oder autorisierte Namensanbringung folgen. Dies ist bei der beA-Zwangseinrichtung nicht der Fall.

Nach der aktuellen Gesetzeslage ergibt sich für die Zeit nach dem 31.12.2017 (also ab dem 01.01.2018) keine Änderung an dieser rechtlichen Würdigung. Der II. Senat verweist ausdrücklich auf die in § 130a ZPO (i.d.F. ab dem 01.01.2018) vorgesehenen Alternativen: DE-Mail und beA.

Der AGH Berlin lässt es ausdrücklich offen, ob der Rechtsanwalt sich pflichtwidrig verhält und sich gegenüber seinem Mandanten schadensersatzpflichtig macht, wenn das für ihn ohne sein Zutun eingerichtete empfangsbereite beA nicht kontrolliert. Der II. Senat hält eine solche Haftung jedoch für „zweifelhaft“.
Die von der BRAK angeführten Argumente und Negativfolgen (angeblicher „Automatismus“ bei der technischen beA-Gestaltung, laufende Bereitstellungskosten von 500.00,-- € pro Monat, erheblicher Aufwand der Bundesnotarkammer (BNotK) für die Signaturkarten, Interesse der Anwaltschaft am beA) weist der II. Senat als nicht überzeugend, unzureichend oder unsubstantiiert zurück.

Das Bestehen des Anordnungsgrundes bejaht der II. Senat schließlich mit drei Sätzen.

Ausblick:

Der Beschluss ist rechtskräftig. Die Entscheidung erging gemäß § 112c Abs. 1 S. 1 BRAO i.V.m. § 123 Abs. 4 VwGO durch Beschluss. Ein Rechtsmittel gegen einen solchen Beschluss sieht § 112a Abs. 2 BRAO nicht vor. Nunmehr sind als „Rechtsmittel“ ein Hauptsacheverfahren oder die Verfassungsbeschwerde möglich.

Die BRAK hat sich an den Beschluss zu halten, jedenfalls sobald ihr dieser im Parteibetrieb förmlich zugestellt wird. Die Mitteilung durch das Gericht ist bereits erfolgt (vgl. Pressemitteilung 7/2016 der BRAK).

Die BRAK bleibt ihrer Linie weiterhin treu. Sie bekundet in der oben zitierten Presseerklärung Nr. 7 vom 09.06.2016, dass es technisch unmöglich sei, das beA-System so einzurichten, dass einzelne Postfächer empfangsbereit sind und andere nicht. Daher ist es nur folgerichtig, dass die BRAK die beA-Einführung verschiebt, besser gesagt bis auf weiteres stoppt (vgl. Pressemitteilung 7/2016 der BRAK).