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OLG Frankfurt a.M. zum anwaltlichen Empfangsbekenntnis und zum neuen unstreitigen Sachverhalt in der Berufung

Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. (Az. 12 U 184/16) entschied in einem Berufungsverfahren zwei bereits häufiger entschiedene aber immer wieder aufkommende prozessuale Fragen. Zum einen bekräftigte der Senat, dass ein anwaltliches Empfangsbekenntnis allein maßgeblich für die Zustellung und den Lauf der Berufungsfristen ist. Zum anderen bestätigte der Senat, dass neuer unstreitiger Sachvortrag in der Berufungsinstanz zulässig ist.

Den Volltext des Urteils finden Sie hier.

Zum Hintergrund: Die Parteien stritten um Zahlungen aus einem Darlehensvertrag. Die Geschäftsanteile an der Beklagten wurden im notariellen Kaufvertrag übertragen; die Beklagte wirkte bei der Beurkundung mit und stimmte den Regelungen zu. Der Kaufvertrag enthielt auch einen Verweis auf den nun streitgegenständlichen Darlehensvertrag über 180.000,-- €, zahlbar in monatlichen Raten zu je 5.000,-- €. Die Beklagte zahlte 12 Raten, also insgesamt 60.000,-- €, und stellte dann die Zahlungen ein. Die Beklagte wandte ein, es handele sich nicht um ein Darlehen, sondern um eine Gegenleistung für drei Anzeigen (3 x 60.000,-- €). Auch seien die Zahlungen eingestellt, weil sich die Klägerin weigere, weitere zwei Anzeigen für die Beklagte zu schalten. Die Klägerin klagte den offenen Betrag in Höhe von 20.000,-- € (= 4 Monate x 5.000,-- €) sowie die weiteren monatlichen Zahlungen zu je 5.000,-- €. Das Landgericht Darmstadt gab der Klage mit Urteil vom 30.09.2016 statt. Die Beklagte legte Berufung ein.

Das Landgericht Darmstadt veranlasste die Versendung des Urteils an die Parteien am 04.10.2016. Die zur Zustellung sollte gegen Empfangsbekenntnis erfolgten. Das Urteil ist tatsächlich am 31.10.2016 bei den Prozessbevollmächtigten eingegangen, was die Prozessbevollmächtigten der Beklagten allerdings nicht vorgetragen haben. Inzwischen hatte das Landgericht Darmstadt die Prozessbevollmächtigten der Beklagten mehrfach aufgefordert, das Empfangsbekenntnis zurückzusenden. Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten gaben das Empfangsbekenntnis per 31.10.2016 ab. Die Berufungsschrift ging bei Gericht am 29.11.2016 ein. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin rügten die Einhaltung der Berufungsfrist. Sie sind der Auffassung: Die Versendung erfolgte am 04.10.2016. Danach sei das Urteil der Beklagten bzw. deren Prozessbevollmächtigten nach der Drei-Tages-Fiktion spätestens am 07.10.2016 zugegangen. Allerdings gaben auch die Prozessbevollmächtigten der Klägerin das Empfangsbekenntnis erst am 14.10.2016 ab.

Mit der Berufungsbegründung führte die Beklage einen neuen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkt in den Rechtsstreit ein. Aufgrund der am 20.12.2013 zwischen den Parteien abgeschlossenen eine Rangrücktrittsvereinbarung – so die Beklagte – sei die Rückzahlung des Darlegens ausgeschlossen. Die Prozessbevollmächtigten der Beklagte legten die Rangrücktrittsvereinbarung vor und beriefen sich auf die Durchsetzungssperre, weil die Rückzahlung des Darlehens zu einer Insolvenzreife der Beklagten führen würde. Diesen neuen Sachvortrag rügten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin als verspätet, haben ihn jedoch nicht bestritten (und auch nicht bestreiten können, weil er richtig war).

Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. entschied die beiden prozessualen Fragen wie folgt:

1. Der Senat wies in der mündlichen Verhandlung mit einen knappen Satz darauf hin, dass es eine ausdifferenzierte ober- und höchstgerichtliche Rechtsprechung zum anwaltlichen Empfangsbekenntnis gäbe. In den Urteilsgründen heißt es dann ebenso knapp: „Das Rechtsmittel ist unbedenklich zulässig, insbesondere rechtzeitig eingelegt. Die Mutmaßungen der Klägerin über eine frühere Zustellung des Urteils sind ohne rechtliche Grundlage. [...] Es fehlt an einem förmlichen Zustellungsnachweis vor dem 31.10.2016.“

2. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit lässt der Senat auch neuen, unstreitigen Vortrag in der Berufungsinstanz zu. Hierzu wörtlich im Urteil: „Der neue Vortrag der Berufung zum Rangrücktritt durch [...] ist prozessual zulässig, weil der Abschluss der vorgelegten Dokumente und ihr Wortlaut unstreitig und einer Auslegung durch das Berufungsgericht zugänglich ist.“

Anmerkung:

Beide Themen sind zwar keine Dauerbrenner, begegnen den Rechtsanwälten allerdings in Berufungsverfahren durchaus regelmäßig. Allerdings sind hier keine Neuerungen zu erwarten, so bewegt sich die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. völlig auf der Linie der gefestigten ober- und höchstgerichtlichen Rechtsprechung:

1. Beweiswirkung des anwaltlichen Empfangsbekenntnisses

Es gibt immer wieder Bemühungen der gegnerischen Prozessbevollmächtigten und auch von einigen Gerichten (vermutlich aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit), die Richtigkeit des anwaltlichen Empfangsbekenntnisses zu bezweifeln. Allerdings sind die Hürden hierfür ausgesprochen hoch. Der vereinfacht formulierte Grundsatz lautet nämlich: Das anwaltliche Empfangsbekenntnis ist stets richtig. Der Bundesgerichtshof formuliert es wie folgt sehr prägnant (vgl. BGH, NJW 2012, 2117 bis 2118, Beschluss vom 19.04.2012, Az. IX ZB 303/11):

„Die Beweiswirkung eines anwaltlichen Empfangsbekenntnisses entfällt, wenn sein Inhalt vollständig entkräftet und jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass die Angaben richtig sein können. Der Gegenbeweis ist nicht schon geführt, wenn lediglich die Möglichkeit der Unrichtigkeit besteht, die Richtigkeit der Angaben also nur erschüttert ist.“

2. Neuer unstreitiger Vortrag in der Berufungsinstanz

Auch dieses Thema sollte in den Berufungsverfahren nicht mehr aufgegriffen werden. Es ist seit langem ständige und gefestigte BGH-Rechtsprechung, dass die strengen Voraussetzungen von § 531 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 ZPO nicht gelten, wenn unstreitige neue Tatsachen in der Berufung eingeführt werden sollen. Dies bestätigte der Bundesgerichtshof zuletzt im Jahre 2015 (vgl. BGH, Beschluss vom 13.01.2015, Az. VI ZR 551/13) und führte wörtlich aus:


„Der insoweit neue Vortrag in der Berufungsinstanz ist unstreitig geblieben, weshalb er vom Berufungsgericht nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO hätte zurückgewiesen werden dürfen. Denn unstreitige Tatsachen, die erstmals im Berufungsrechtszug vorgetragen werden, sind stets zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 18.11.2004, Az. IX ZR 229/03, BGHZ 161, 138, BGHZ 161 141 ff., juris Rn. 11 ff.; Beschluss vom 23.06.2008, Az. GSZ 1/08, BGHZ 177, 212 Rn. 10, juris Rn. 10; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 531 Rn. 20 mwN), und zwar selbst dann, wenn der unstreitige Vortrag im Hinblick auf Folgefragen eine Beweisaufnahme erfordert (BGH, Urteile vom 18.11.2004, Az. IX ZR 229/03, BGHZ 161, 138, BGHZ 161 144 f., juris Rn. 20; vom 16.10.2008, Az. IX ZR 135/07, VersR 2010, 86 Rn. 22).“